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In Berlin sind sie auf die Stühle gestiegen und haben ihre Operngläser gezückt. Das wollte jeder sehen: Eine Frau mit Cello! In Wien empfand es ein Kritiker als „Genuss ganz absonderlicher Art“, und auch andernorts gab es angesichts der ersten Violoncellistin der Musikgeschichte verstörte bis anstößige Kommentare, nicht zuletzt wegen der Haltung des Instruments zwischen den Beinen. Das war in den 1840er-Jahren.

Ob Sol Gabetta weiß, wie hart sich ihre Vorgängerinnen einst das Recht zum Cellospiel erkämpfen mussten? Wenn die derzeit wohl berühmteste Cellistin im ausverkauften Oldenburger Schloss spielt, sieht dies keineswegs „absonderlich“, sondern natürlich und sehr ästhetisch aus. Geradezu beneidenswert ist die sichtbare Lockerheit, mit der sie ihr Instrument handhabt: Die Flexibilität und Geschwindigkeit des rechten Arms bis in die Fingerspitzen, die Mühelosigkeit der Wechsel, die Perfektion in den Stricharten sind zurzeit wohl einmalig und finden in Gabettas eindrucksvoller Geläufigkeit und ihrer glockenreinen Intonation die Entsprechung.

Es ist eben diese Leichtigkeit, die auch klanglich gefangen nimmt. In Beethovens Sieben Variationen über Mozarts „Bei Männern, welche Liebe fühlen“, ebenso in seiner Sonate Nr. 3 für Klavier und Violoncello entwickelt Gabetta ihre Klänge immer wieder aus fast unhörbarem Pianissimo. Gerade im Leisen leuchtet ihr duftiger und wandlungsfähiger, hochästhetischer Cello-Ton.

Bertrand Chamayou ist dabei weit mehr als „nur“ ein Begleiter. Bei den Beethoven-Werken trägt der französische Pianist die Hauptlast der melodischen Arbeit, die er mit präzisem und feinem Zugriff geradezu sprechend ausgestaltet. Das Zusammenspiel mit Gabetta ist phänomenal in Präzision und dynamischer Abstimmung. In Chopins romantischer Sonate op. 65 gibt es den glutvollen Gabetta-Ton – auch hier ist es wieder die klangliche Natürlichkeit, mit der Beide begeistern. Am Schluss Chopins Grand Duo Concertant über Meyerbeer-Themen, technisch horrend, aber lächelnd und mit tänzerischer Leichtigkeit serviert.

Übrigens: Im Schloss steigt natürlich niemand auf die Stühle, und auch Operngläser sind nicht auszumachen. Über das Aussehen einer Cellistin macht sich längst keiner mehr Gedanken, und am Ende gibt es Ovationen für das grandiose Duo Gabetta und Chamayou.

- NWZ, Volker Timmermann, 11.09.2015