Next Concert:

Künzelsau (DE), Carmen Würth Forum Sat 20.04.2024

Media

Große Cellisten

Harald Eggebrecht

Piper Verlag 2007

416 Seiten

“Große Cellisten” hat der Musikwissenschaftler und Journalist Harald Eggebrecht sein neues Werk genannt, das mit dem Buch “Große Geiger” (Piper, 2005) bereits einen Vorgänger hat. Trotzdem steht die besondere Faszination für des Cellos für den Autor außer Frage. “Das Cello rührt auf tiefer, unergründlicher Ebene an unser Gefühl” zitiert er stellvertretend den Geiger Yehudi Menuhin. Es gibt einiges, was die Einzigartigkeit des Instrumentes ausmacht: seine große lyrische Qualität, sein einzigartiger sanft-dunkler Klang, sicher aber auch die Form und Größe des Instruments, das von seinem Spieler quasi mit dem ganzen Körper umarmt wird.

Hinzu kommt, dass Persönlichkeiten wie Pablo Casals oder der kürzlich verstorbene Mstislav Rostropowitsch weit über die Musikszene hinaus bewundert und verehrt werden. Und nicht zuletzt ist es die herausragende Cello-Literatur – vor allem die des 19. und 20. Jahrhunderts – die für viele den Reiz dieses Streichinstruments befördert hat.

Es ist gerade diese Konzertliteratur, die Eggebrechts Porträts grundiert. Die Übersicht über die Entwicklung des Cello-Spiels im vergangenen Jahrhundert gründet sich auf seine Analyse selbst erlebter Konzerte, wie auch auf das Studium historischer Rundfunk-Mitschnitte, Schallplatten- und CD-Aufnahmen. Mehr als 60 Cellisten, angefangen beim großen Pau Casals über die russische Cello-Schule bis hin zu “alten” Stars wie Yo-Yo Ma und ganz neuen wie Sol Gabetta sind mehr oder minder ausführlich und unchronologisch in den 21 Kapiteln präsentiert. Hinzu kommt ein Exkurs zu Virtuosen der Bratsche.

“Was spielt Wer Wie?” ist die Kernfrage des Buchs, so formuliert sie der Autor selbst im ersten Kapitel. Dass dieses Buch dennoch nicht nur das musikalische Fachpublikum erreichen wird, liegt daran, dass Harald Eggebrecht in sehr zugänglicher Weise Musikwissenschaft, Konzertkritik und Biographie kombiniert. Privates kommt ebenso wenig zu kurz wie die Stimmen der Musiker selbst – anschauliche Zitate wie zum Beispiel das folgende des norwegischen Cellisten Truls Mork: “Für mich ist das Cello zuerst ein singendes Instrument. Es ähnelt am meisten der menschlichen Stimme, es hat die gleichen Register und melodische Qualitäten. Das Cello-Spiel empfinde ich deshalb so, als ob ich zum Publikum singe durch mein Instrument, anstatt meine Stimme zu benutzen …”

Harald Eggebrecht schreibt weniger als Musikwissenschaftler denn als seit vielen Jahren praktizierender Journalist, geht weniger in die Tiefe als in die Breite und arbeitet die Bedeutung der einzelnen Cellisten eher überblickshaft heraus. Stilistische Kuriositäten sind selten, sie treten auf, wenn Eggebrechts Begeisterung besonders groß ist, wie im Schlusskapitel über Emanuel Feuermann mit dem beredeten Titel “Einen Größeren gibt es nicht” : Da heißt es “Die Oberfläche des in sich ungemein festen, makellos fokussierten Tones besitzt jene attraktive Widerständigkeit, die an die zarte Aufgerautheit einer die Haut streichelnden Katzenzunge denken lässt.”

Solche Entgleisungen bleiben aber die Ausnahme. Eggebrechts neuestes Werk ist trotz der Fülle an Namen und Werktiteln ein sehr ansprechendes Buch. Ein Lesebuch, das nicht nur Cello-Fans Freude machen sollte, sondern auch Laien und Klassikfreunden allgemein. Vielleicht erfüllt sich mit seiner Lektüre die Hoffnung des Autors, dass wieder mehr – vor allem junge – Menschen den Weg in den Konzertsaal finden, denn gerade dort, so Eggebrechts Botschaft, schärfen sich Gehör und Kennerschaft.

Rezensiert von Olga Hochweis

Harald Eggebrecht: Große Cellisten
Piper Verlag 2007
416 Seiten, 24,90 Euro